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Paul Burkhard und der Fünfliber
Vorgeschichte
Im Jahre 1865 schlossen Frankreich,
Belgien, Italien und die Schweiz einen Münzvertrag ab,
der später als "Lateinische Münzunion" (LMU) bezeichnet
wurde und detaillierte Vorschriften über Gewicht, Feingehalt,
Form und Kurs von Gold- und Silbermünzen enthielt, sowie
für die einzelnen Staaten Prägekontingente gemäss ihrer
Bevölkerung festlegte. Dafür wurden die betreffenden
Münzsorten im gesamten Gebiet der Münzunion zum
Nominalwert angenommen. Der Bundesrat betrachtet die
Gleichstellung der Silbermünzen der vier Länder als
einen ersten Schritt zur Verwirklichung des Gedankens
eines universellem Münzsystem. Später trat noch
Griechenland dem Vertrag bei. Entsprechend international
war die Zusammensetzung der in der Schweiz kursierenden
Gold- und Silbermünzen. Der Anteil an schweizerischen
5-Fr.-Stücken schwankte dabei in den Jahren 1885 - 1920
zwischen 2 und 7 %.
Warum ein neues 5 Fr. Stück
Mit
Ausbruch des ersten Weltkrieges setzte ein grosser
Abfluss von Silbermünzen nach Italien und Frankreich
ein. Durch eine Silberhausse, die dazu führte,
dass zahlreiche Münzen in den Schmelztiegel wanderten,
wurde die Situation noch verschärft. Um diesem
Notstand zu begegnen, wurde die Nationalbank ermächtigt,
vorübergehend 5-Fr.-Noten herauszugeben. Das Ein-schmelzen
von Silbermünzen wurde per Bundesbeschluss verboten.
Um dem herrschenden Mangel an
Silber-geld nach dem 1. Weltkrieg entgegenzutreten,
plante der Bundesrat eine Neuplanung von 5-Fr.-Stücken.
Weil das Wappens auf der Wertseite des Fünflibers
mit dem Helvetiakopf immer wieder Anlass zu Kritik
seitens der Heraldiker gegeben hatte, entschied
man sich, die geplante Neuprägung mit einem neuen
Münzbild zu versehen, welches allenfalls für das
ganze Silbergeld verwendet werden könnte. Zu diesem
Zwecke wurde im Jahre 1919 ein Wettbewerb unter
Schweizer Künstlern ausgeschrieben. 202 Bewerber
reichten 542 Entwürfe ein.
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Ein Preissturz des Silbers und die
gegenüber dem Ausland hoch bewertete Schweizer Währung
führten im Jahre 1920 zu einer Überschwemmung der Schweiz
mit silbernen 5-Fr.-Stücken aus den Vertragsstaaten
der LMU. Aus diesem Grunde setzte der Bundesrat im Dezember
1920 die fremden Fünfliber - ohne Rücksprache mit den
Unionspartnern - ausser Kurs. Dieses Vorgehen wurde
im Dezember 1921 nachträglich, als "vorübergehende Massnahme",
durch die Vertragspartner der LMU genehmigt. Die Schweiz
wurde ermächtigt, unter Verwendung von Unionsmünzen
für 80 Mio. Franken Fünfliber mit eigenem Münzbilde
zu prägen. Der Vertrag der LMU, welcher seit längerer
Zeit nur noch Papier war, wurde 1927 aufgelöst, ohne
dass die Unionsmünzen wieder Kurswert erhielten. Seit
dem 1. April 1927 haben in der Schweiz ausschliesslich
eigene Münzen Kurswert.
Der Alphirte von Burkhard macht das Rennen
Die Entwürfe von Paul Burkhard"Alphirte
mit langer Hose" und "Alphirte mit Fahne" sowie die
Arbeiten von zehn weiteren Künstlern wurden prämiert.
Die Jury empfahl jedoch keines dieser Modelle zur Ausführung.
Stattdessen wurde ein neuer, enger gefasster Wettbewerb
unter den honorierten Künstlern aus dem ersten Wettbewerb
durchgeführt. Das Preisgericht schlug dem Bundesrat
zwei Entwürfe, die allerdings noch zu überarbeiten seien,
zur Auswahl vor. Diese stammten von den Bildhauern Paul
Burkhard und Maurice Sarkissoff. Der Bundesrat entschied
sich für das Projekt von Burkhard, allerdings in einer
auf die Büste reduzierten Form. Der Entwurf der Wertseite
stammte ursprünglich vom Berner Maler Rudolf Müller,
wurde aber von Burkhard überarbeitet.
5 Fr. 1922
Mit der Anfertigung der Stahlstempel
betraute der Künstler die Firma Huguenin Frères aus
Le Locle. Die Stempel befriedigten jedoch nicht und
mussten mehrfach ausgebessert werden. Die Ende Februar
1923 bereitliegenden ersten Prägestempel mit der Jahrzahl
1922 waren zwar noch immer nicht einwandfrei, doch konnte
der Beginn der Prägung nicht weiter verzögert werden.
Mit diesen Stempeln wurden insgesamt 2,4 Mio. Stück
geprägt.
5 Fr. 1923
Die Originalstempel für die Prägungen
mit Jahrgang 1923 wurden in Deutschland überarbeitet.
Das Kreuz auf der Wertseite, das die heraldischen Anforderungen
nicht erfüllte, wurde korrigiert, d. h. die Kreuzschenkel
wurden schlanker. Die verbesserten Stempel vermochten
aber immer noch nicht zu befriedigen. Vor allem die
Schärfe des Reliefs liess zu wünschen übrig. Mit diesen
neuen Prägestempeln wurden bis Ende 1923 7,6 Mio. Stück
geprägt.
5 Fr. 1924
Paul Burkhard wurde beauftragt, diese
Mängel zu beseitigen. Aufgrund neuer Modelle, die in
England reduziert und anschliessend vom Münzmedailleur
Kulbrick in Berlin überarbeitet wurden, fertigte man
neue Originalstempel an, die für die Prägungen ab Jahrgang
1924 verwendet wurden. Auf der Wertseite wurde der Nennwert
5 Fr. zu 5 FR., die Gesichtszüge des Hirten wurden markanter
und das Relief wurde deutlich verstärkt. Da die Stempel
erst im Oktober 1924 bei der Münzstätte eintrafen, wurden
1924 nochmals 3,7 Mio. Stück mit den alten Stempeln
geprägt. Mit den neuen Stempeln konnten, als Rest des
durch die LMU zugebilligten Kontingentes, nur noch 182’000
Stück geprägt werden. Die Fünfliber der Jahrgänge 1922
und 1923 wurden wegen ihres schwachen Reliefs sehr rasch
unansehnlich. Man zog sie daher sukzessive ein und ersetzte
sie durch neugeprägte 5-Fr.-Stücke (1925 und ff.).
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Paul Burkhard gravierte seine
Münzbild-Vorschläge vertieft und seitenverkehrt
in Schiefertafeln. Davon machte er Gipsabgüsse,
die er anschliessend zur Begutachtung durch die
Jury einreichte. |
5 Fr. 1931, der Fünfliber im Kleinformat
Mit der Revision des Münzgesetzes
im Jahre 1931 wurde der Fünfliber - vormals Kurrantmünze
- zur Scheidemünze degradiert. Sein Durchmesser reduzierte
sich von 37 mm auf 31 mm, sein Gewicht von 25 g auf
15 g und sein Silbergehalt von 0,900 auf 0,835. Mit
der Schaffung der neuen Originalstempel wurde wiederum
P. Burkhard beauftragt. Das Münzbild des verkleinerten
5 Fr. Stückes unterscheidet sich nur geringfügig von
demjenigen im Grossformat.
Der Fünfliber heute
Der Fünfliber erfreut sich - trotz seines etwas unhandlichen
Formates auch heute noch grosser Beliebtheit. Dies ist
nicht zuletzt auf den Hirtenkopf zurückzuführen, der
von vielen als Tellfigur und somit als Symbol der nationalen
Einheit verstanden wird. Seit 1968 wird er nicht mehr
aus Silber sondern aus Kupfer-Nickel hergestellt (Ausnahme:
Jahrgang 1969 noch einmal Silber). Der Fünfliber ist
eine der hochwertigsten Zirkulationsmünzen der Gegenwart.
Erstaunt es deshalb, dass schon wiederholt Fälschungen
davon aufgetaucht sind? Die hohe Prägequalität unserer
5 Fr. Stücke und die Überblickbarkeit der Schweiz haben
bis heute ein Überhandnehmen der Falsifikate verhindert.
Wir dürfen daher hoffen, dass der Hirte von Paul Burkhard
noch lange unseren Fünfliber schmücken wird.
Wer war das Modell des Alphirten?
Wie beim Vreneli gibt es auch beim Alphirten Spekulationen
über die dargestellte Person. Genannt werden Jost Schillig
(1864 - 1938), Landrat aus Bürglen, Sepp Maria Planzer
(1881 - 1964) vom Riedertal bei Bürglen und Franz Betschart
(1871 - 1949) aus Ingenbohl. Welcher der drei Genannten
diese Ehre für sich verbuchen kann, bleibt wohl für
immer ein Geheimnis. Möglicherweise ist der Alphirte
auch eine ganz andere Person oder eine Synthese von
verschiedenen Modellen.
Paul Burkhard, Bildhauer und Zeichner (ein kurzer
Lebenslauf)
14.
Okt. 1888 |
Geboren in Richterswil. |
1904
- 1905 |
Studium an der Kunstgewerbeschule
in Zürich bei Joseph Regl. |
1905
- 1913 |
Punkteur u. a. für die Bildhauer
Hermann Haller, Arnold Hünerwadel, Richard Kissling.
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1913
- 1921 |
Studium an der Kunstakademie in
München, unterbrochen von div. Reisen durch Deutschland,
nach Italien und Frankreich. Zahlreiche Zeichnungen
und Illustrationen. |
1919
- 1921 |
Teilnahme am Wettbewerb für 2-
und 5-Fr.-Stücke. |
Ab
1923 |
In Lugano ansässig. Expressive
Arbeiten in Stein und Metallguss (Büsten, Figuren,
Gruppen, Tiere). Grabmal Brientini in Lugano mit
überlebensgrosser Figur in Marmor. Ausstellungen
in München, Berlin, Darmstadt, Venedig, Bern und
Zürich. 2 x eidg. Künstlerdiplom. |
1920
- 1931 |
Münzbilder für das 5-Fr.-Stück
"Alphirte" (Gross- und Kleinformat) sowie Entwürfe
für verschiedene Briefmarken. |
1930
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Gestaltung einer Medaille zur
Eröffnung der Lorrainebrücke in Bern. 2. Aug.
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1964 |
Gestorben in Agra (Tessin). |
Quelle: Bewilligter Abdruck von Swissmint |
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